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Leitbild der Humanistischen Plattform

Maintainer: Christian Apl, Version 1, 13.02.2002
Projekt-Typ: halboffen
Status: Archiv

Einleitung

(1) Die Humanistische Plattform ist eine gesellschaftliche Basisgruppe, die im Bereich Wien agiert. Sie hat sich im Laufe des Jahres 1999 gebildet und entwickelt sich seither nach Anliegen, Lust und Laune der Leute, die sich dort einbringen wollen. Wenn was passiert, passiert es auf Grundlage der Freien Kooperation - was nicht freiwillig geschieht, geschieht nicht. Wir haben in einem sogenannten Leitbild die uns motivierenden Momente zusammengefasst und wollen dieses hier zur Diskussion stellen. Was wir sonst noch treiben ist auf http://www.plattform.org zu finden.

Wovon gehen wir aus?

(3) Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch einzigartig, einmalig und deshalb unaustauschbar ist, dass sie/er unter anderem mit Bewusstsein, Vernunft, Kreativität, Willen und Gewissen begabt ist und dass sie/er zur Veränderung fähig ist.

(3.1) Einzigartigkeit, 14.02.2002, 00:23, Bernd vd Brincken:
Dass jeder Mensch einzigartig ist, ist ja (momentan, noch) allein schon durch die Gene, also die Körperlichkeit, gegeben, des weiteren durch die soziale und "historische" (ontogenetische) Koordinate.
Aber einzigartig ist ja auch jede einzelne Schneeflocke, jeder Stein, jede Qualle und anderes. Wie unterscheidet sich die humanistische Einzigartigkeit von diesen?
Mein Vorschlag: Was den Menschen besonders - und darin eben nicht (mehr) einzig-artig macht - sei seine Fähigkeit, sich in grösseren ("sozialen") Gebilden zusammenzufinden, und dort ganz neue Spiele zu treiben. Das ist dann "für eine Weile mehr als die Summe der einzelnen Teile".
Oder ist es mehr ein Fluch? Jedenfalls: Mensch-lich.
Möglicherweise aber nicht "humanistisch". - Oder doch?

(3.1.1) Re: Einzigartigkeit, 14.02.2002, 09:53, Christian Apl: Du sprichst da zwei verschiedene Einzigartigkeiten an. Wir meinen hier die erste, also die Einzigartigkeit, die auch jede Schneeflocke, jeden Stein, jede Qualle und anderes ausmacht. Die "humanistische" Einzigartigkeit (würd ich aber nicht so nennen) unterscheidet sich nicht von dieser. Und nur weil diese Einzigartigkeit "ja auch" an allen anderen beobachtbaren Phänomenen auszumachen ist, ist sie deswegen für uns nicht vernachlässigbar. Im Gegenteil! Wie soll ein Zusammenleben funktionieren, wenn der subjektive Faktor ausgespart wird? Wie soll eine Beziehung auf Dauer gelingen, wenn sich die PartnerInnen auf ihre Berechenbarkeiten zurücknehmen? Das wird doch eine ziemlich matte und unbefriedigende Geschichte.
Außerdem ist vermutlich das kreative Potenzial eines Menschen, und damit alle Entwicklungsmöglichkeit, in genau dieser Einzigartigkeit verankert. Und darauf würd ich nie verzichten wollen, und schon gar nicht nur deshalb, weil eine Qualle ja auch einzigartig ist.

(3.1.2) Re: Einzigartigkeit, 14.02.2002, 10:15, Christian Apl: Zu Deinem Vorschlag und damit zur zweiten Einzigartigkeit. Hier geht es doch darum - wenn ich irichtig interpretiere, was den Menschen, die Menschheit an sich einzigartig macht (bei der ersten ging es darum, was die/den einzelne/n innerhalb der Menschheit einzigartig macht). Hm, also mir persönlich reicht da schon, dass Menschen zur Interpretation fähig sind, worunter ich verstehe, dass wir aufgrund der konstruierenden Funktionsweise unseres neuronalen Apparates das In-Beziehung-Setzen als völlig neues Phänomen in die Welt bringen.# Es bleibt aber immer noch die Frage, was die Menschen seit eh und je dazu treibt, das Besondere an der Menschheit gegenüber einer Nicht-Menschheit ausfindig zu machen. Wozu brauchen wir das?

(3.1.3) Re: Einzigartigkeit, 04.12.2004, 08:16, Organ H: darf ich auf einen Beitrag von J Gräber hinweisen; den und andere Ideen zu diesem Thema finden Sie auf http://www.ubf-dortmund.de/bibel/greber.htm die/der eine oder andere findet hier viele Antworten auf brennende Fragen zum Leben f.G. Organ H

(3.3) 15.02.2002, 13:53, Loretta di mare: Ja die Menschen sind untauschbar ,irgendjemand muß ja schließlich mit den Waren spazierengehen!Jeder Mensch verliert mit jeden Tag ein Teil seines Potentials an vernutzbarer Arbeitkraft,so daß er irgendwann tatsächlich nichts mehr zu tauschen hat,die arme geplagte Kreatur ist dann als Kreation meistens vollkommen uninteressant.Ich habe schon in diversen Sterbestationen gearbeitet ,wo sterbende krebskranke alte Menschen um ein bißchen Aufmerksamkeit gebettelt haben!(Ich will sterben,ich fühl mich allein -warum kommt denn keiner).Den Menschen in seiner Nichttauschbarkeit hervorzuheben ,bedeutet hier doch nur den Prozeß des Tauschen zu manifestieren,da er der Mensch ja so "einzigartig " ist.(Krativität ,Bewußtsein,Vernunft ?) Das bedeutet wiederum die Tauschfähigkeit -Einzigartigkeit hervorzuheben-das heißt" besonderes Produkt" sein. Menschen haben auch Bedürfnisse die das Mensch-sein ausmachen und die sin nicht immer einzigartig,müssen es auch gar nicht sein.Ich verlange von den Menschen nicht diese eure Warenkonformität.Ich manifestiere den Mensch nicht als "göttliches Wesen" für mich gibt es "ihn "nicht im Singular..Belange die ,die Menschen betreffen geschehen in der gesellschaftlichen Umwelt der Menschen,besser gesagt der Umwelt ihrer "negativen Vergesellschaftung".Lösungen der Probleme ,ist die Aufhebung und Abschaffung dieser Loslösung(Jeder und Jedes).Vive la commune!

(3.3.1) Unaustauschbarkeit, 16.02.2002, 09:45, Christian Apl: Liebe Loretta, ich hab den starken Verdacht, dass wir durchaus das selbe meinen. Sehr stimme ich dir zu, dass es den Menschen nicht im Singular gibt, deswegen gehen wir auch gleich im übernächsten Absatz auf die Beziehungen ein, in denen jede/r lebt. Mit "unaustauschbar" haben wir hier gemeint, dass sie/er nicht einfach auswechselbar ist. Deine Bedürfnisse können z.B. nicht dadurch befriedigt werden, dass die Bedürfnisse Deiner NachbarInnen befriedigt werden. Du wirst nur schwierig satt werden, wenn jemand anderer isst - um es an einem ganz einfachen Beisipel fest zu machen. Um Dein Beispiel zu nehmen: Den sterbenden, krebskranken, alten Menschen wird ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit nur befriedigt, wenn ihnen selbst diese Aufmerksamkeit auch zukommt. Sie haben nichts davon, wenn diese Aufmerksamkeit jemand anderer bekommt. Gebe Dir aber recht, dass "unaustauschbar" anscheinend vornehmlich wirtschaftliche Assoziationen auslöst - "unauswechselbar" wäre vermutlich treffender formuliert.

(3.3.2) allein, 04.12.2004, 08:19, Organ H: gerade beim Sterben fühlt der Mensch diese Einsamkeit oft.Das ist aber ein Ding der Seele die nach der wahren "Heimat" schreit. Hat man sich in diesem Leben aber vorbereitet, ist man vielleicht im Moment des "Hinübergehens" allein, aber niemals mehr einsam. Wer das nicht glaubt, der lese einmal das Buch von Pf.J.Greber (gibts kostenlos) bei http://www.ubf-dortmund.de/bibel/greber.htm

(4) Wir gehen davon aus, dass jeder Mensch Bedürfnisse (Anliegen, Wünsche, Absichten usw.) hat, die von Tag zu Tag und von Lebensphase zu Lebensphase wechseln können. Diese Bedürfnisse sind uns Ausgangspunkt unseres Denken und Handelns.

(5) Wir gehen davon aus, dass für jeden Menschen Beziehungen (jeglicher Art) zu anderen Menschen lebensnotwendig sind, gleichzeitig aber die Früchte dieser Beziehungen unabsehbar vielfältig und bereichernd sein können.

(6) Wir gehen schließlich davon aus, dass jeder Mensch in ihrer/seiner persönlichen Wirklichkeit lebt, in der sich ihre/seine Einmaligkeit widerspiegelt und die unter anderem durch ihre/seine Bedürfnisse und Beziehungen bestimmt wird. Diese persönliche Wirklichkeit ist ihr/ihm Entscheidungsgrundlage für ihr/sein Handeln und letztlich ausschlaggebend für ihr/sein Lebensgefühl. Auch diese Wirklichkeiten sind veränderlich und gestaltbar.

(6.1) Menschenbild, 20.06.2002, 08:34, Christian Apl: Damit wird klar, dass es kein allgemein gültiges Menschenbild geben kann und auch Fragen wie: "Was unterscheidet den Menschen vom Tier?" verlieren entschieden an Relevanz. Die große Variabilität allein schon der Biographien lässt das Streben nach einer allgemeingültigen Definition vom Menschen völlig aussichtslos erscheinen - ja beinahe schon "gefährlich", weil es zum einen im Einzelnen unlösbare Konflikte produziert (Uniformität vs. Individualität) und zum anderen, das, was den Menschen eigentlich ausmacht, die Fähigkeit zum Neuanfang, völlig ausgeklammert werden muss. Ein allgemeingültiges Menschenbild könnte gültig bestenfalls ein paar Konstanten enthalten, müsste aber all dem Unkonstanten breitesten Raum einräumen, mit dem Unvorhersehbaren umgehen können. Was spricht schließlich dagegen, es jeder/m einzelnen zu überlassen, ihr/sein Bild von sich selbst, auch selbst zu bestimmen?

Was finden wir vor?

(8) Wir finden derzeit KonsumentInnen, ProduzentInnen, ArbeitnehmerInnen, ArbeitgeberInnen, also auf bestimmte Funktionen und Berechenbarkeiten reduzierte und sich selbst beschneidende Menschen, deren kreatives und wohlwollendes Potential durch ein Übermaß an unnotwendigen Ängsten brach liegt.

(9) Wir finden derzeit vorwiegend jene Bedürfnisse, die mensch glaubt, haben zu dürfen, eine Unzahl an fremdbestimmten, diktierten Bedürfnissen und oft die seltsame Gewissheit, dass viele ganz genau über die Bedürfnisse der anderen Bescheid zu wissen glauben.

(10) Wir finden derzeit Beziehungen, die vom Kalkül dominiert werden, Beziehungen, die bestrebt sind, die unberechenbaren (kreativen) menschlichen Anteile auszutreiben und die durch die Inszenierung physischer und/oder psychischer Abhängigkeiten zementiert werden. Da sich in solchen Beziehungen nur selten jemand wohl fühlt, ist es nicht verwunderlich, dass viele heute von einer beziehungsverarmten, "atomisierten" Gesellschaft isolierter Individuen sprechen.

(11) Wir finden derzeit persönliche Wirklichkeiten, die gespickt sind von Zwängen, Widersprüchen, Ängsten, überflüssigen Grenzen, Vorurteilen, Fremdurteilen, "freiwilligen" Selbstbeschränkungen und lieblos zusammengebastelten Weltbildern. Dementsprechend häufig sind Fehleinschätzungen (unter anderem, dass man unter "diesen" Umständen sowieso nichts machen kann) und Fehlentscheidungen, die daraus resultierenden Misserfolge und Lebensgefühle, in denen nicht einmal mehr die Hoffnung auf Freude existiert und die durch Resignation und Mutlosigkeit bestimmt sind.

Wie könnte es sein?

(13) Die Menschen könnten sich ihrer Ganzheit, ihrer Einmaligkeit, ihrer Fähigkeiten und ihrer Entwicklungsmöglichkeit bewusst sein und dementsprechend auf der Achtung ihrer Würde bestehen.

(13.1) 23.02.2002, 22:05, michael grimburg: statt bewusst "sein" würde ich bewusst "werden" schreiben, weil dass besser den notwendigen noch zu leistenden aktiven vorgang beschriebe (gilt auch für punkt 16) um der grammatik willen müsste mensch wohl auch das "sein" in der überschrift in "werden" ändern. andererseits pfeifen wir doch auf die grammatik, schliesslich ist es nicht nur theorie sondern auch poesie

(13.1.1) 24.02.2002, 22:56, Christian Apl: hm, ja wenn mensch "werden" als ein Form von Sein begreift, würde es auch grammatikalisch passen. Und Poesie - da gehörte sowieso mehr in die Politik...

(14) Die Menschen könnten ihre eigenen Bedürfnisse selbst auffinden, artikulieren und zu verwirklichen anstreben. Sie könnten auch die anderen fragen, welche Bedürfnisse diese haben.

(15) Die Menschen könnten ihre Beziehungen durch Dialog und Vereinbarungen so gestalten, dass sich alle Betroffenen ganzheitlich (nämlich mitsamt ihren Bedürfnissen) darin wiederfinden, Fluchtgedanken dementsprechend absurd erscheinen und Hinwendung, Interesse, Neugier und Wohlwollen ausreichend Raum finden.

(16) Die Menschen könnten sich der Gestaltbarkeit ihrer persönlichen Wirklichkeit bewusst sein, sich dementsprechend selbst dafür verantwortlich erklären und damit Sinn darin sehen, Widersprüche aufzuklären, Ängste zu hinterfragen, willkürlich gesetzte Grenzen und Zwänge aufzuheben und sich entmenschenden Tendenzen und Inszenierungen zu widersetzen.

Was wollen und können wir tun?

(18) Wir wollen Mut machen, die Menschen für voll und ernst nehmen, wir wollen den ganzen Menschen im anderen aufsuchen.

(19) Wir wollen Räume schaffen und pflegen, wo sich Bedürfnisse artikulieren können und ihre Umsetzung begonnen werden kann, sowie falls nötig bzw. möglich Hilfestellung dabei leisten.

(20) Wir wollen an einem dichten Beziehungsnetz mitknüpfen, Beziehungsmodelle aufspüren und austesten und entsprechende Informationen ausfindig machen und bereitstellen.

(21) Wir wollen Wirklichkeitsentwürfe diskutieren, austesten und etablieren, die dem "ganzen" Menschen gerecht werden. Wir wollen schließlich zu einer gemeinsamen Wirklichkeit vorstoßen, die nach all dem Gesagten nur dann auch wirklich eine gemeinsame genannt werden kann, wenn sie von den Betroffenen auch gemeinsam gestaltet wurde.

(21.1) Praktische Philosophie - Albert Schweitzer, 14.02.2002, 00:08, Kalle Pehe: Möglicherweise findet ihr das, was ihr sucht, in Albert Schweitzer`s Philosophie der Ehrfurcht vor dem Leben. Was mir bei ihm vor allem gefällt: Dass er die Dinge so praktisch angeht. Eine theoretische Lösung für diese Frage gibt es vermutlich nicht. Ich glaube, dass sowas (individuell) gelebt sein will, und (nur?) so kann dann auch die passende Theorie dazukommen, eben so wie bei Albert Schweitzer. Man kann darüber streiten, ob der nicht genauso Mystiker war wie Philosoph. Auch Thoreau fällt mir ein, wenn ich an eure Pläne denke, der das als überzeugender Freigeist versucht hat. Ich engagiere mich in der Selbsthilfe der Psychiatrieerfahrenenbewegung. Da ist die Debatte um ein zeitgemäßes Menschenbild eine existenzielle Frage, da das herrschende Menschenbild in unseren Psychiatrien meist noch das des defekten Stoffwechselautomaten ist. Hier wird eine Ideologie "Fleisch" und verlangt nach einer überzeugenden Gegenposition. Wir würden uns freuen, wenn wir ein bisschen mehr Unterstützung aus der Politik (oder allgemein von "Normalos") für unsere Arbeit bekämen. Meldet euch mal bei mir, wenn ihr auch "praktische" Solidarität üben möchtet. Ich denke, dass das eurer Debatte hier gut tun würde Mariapehe@aol.com). Ansonsten wünscht euch "Viel Erfolg" bei euren Bemühungen Kalle Pehe

(21.2) Praktische Philosophie - Albert Schweitzer, 14.02.2002, 00:10, Kalle Pehe: Möglicherweise findet ihr das, was ihr sucht, in Albert Schweitzer`s Philosophie der Ehrfurcht vor dem Leben. Was mir bei ihm vor allem gefällt: Dass er die Dinge so praktisch angeht. Eine theoretische Lösung für diese Frage gibt es vermutlich nicht. Ich glaube, dass sowas (individuell) gelebt sein will, und (nur?) so kann dann auch die passende Theorie dazukommen, eben so wie bei Albert Schweitzer. Man kann darüber streiten, ob der nicht genauso Mystiker war wie Philosoph. Auch Thoreau fällt mir ein, wenn ich an eure Pläne denke, der das als überzeugender Freigeist versucht hat. Ich engagiere mich in der Selbsthilfe der Psychiatrieerfahrenenbewegung. Da ist die Debatte um ein zeitgemäßes Menschenbild eine existenzielle Frage, da das herrschende Menschenbild in unseren Psychiatrien meist noch das des defekten Stoffwechselautomaten ist. Hier wird eine Ideologie "Fleisch" und verlangt nach einer überzeugenden Gegenposition. Wir würden uns freuen, wenn wir ein bisschen mehr Unterstützung aus der Politik (oder allgemein von "Normalos") für unsere Arbeit bekämen. Meldet euch mal bei mir, wenn ihr auch "praktische" Solidarität üben möchtet. Ich denke, dass das eurer Debatte hier gut tun würde (Mariapehe@aol.com). Ansonsten wünscht euch "Viel Erfolg" bei euren Bemühungen Kalle Pehe


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